Wildlifefotografie ist vermutlich die kostenintensivste Art der Fotografie. Gute Teleobjektive, die Kamera und das Zubehör sind recht teuer. Aber geht es auch günstiger? Was braucht man denn wirklich und lohnt es sich?
Was genau ist Wildlifefotografrie
Die Fotografie wildlebender Tiere in ihrer natürlichen Umgebung OHNE sie dabei zu stören. Der erste Teil des Satzes sollte klar sein, der Zweite wird leider gerne mal vergessen. Die hohe Kunst ist nicht nur das Foto zu machen, sondern das Tier dabei nicht zu stören. Wenn das Tier ungestört ist, entstehen die besten Bilder.
Brennweite
Brennweite ist in der Wildlifefotografie durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Brennweite. Theoretisch spielt die Kamera erst mal keine so große Rolle. Aber um Tiere ungestört fotografieren zu können benötigt man deutlich mehr Brennweite als zum Beispiel in der Landschafts- oder Portraitfotografie. Wieviel genau kommt auf das Motiv und die Entfernung an. Theoretisch kann man schon mit 200mm Bilder machen. Ist das Motiv weiter weg, bekommt man es dennoch in seiner natürlichen Umgebung abgelichtet, was auch sehr schön sein kann.
Wirkliche Nahaufnahmen entstehen bei höheren Brennweiten um 400mm bis 800mm oder mehr.
Leider sind die Erwartungen sehr hochgesteckt, wenn man so hohe Brennweiten hört. Ein Reh auf 50 Metern Entfernung ist bei 600mm Brennweite immer noch nicht sonderlich groß.
Hier ein Beispiel eines Rehs in ziemlich genau 50m Entfernung. Verwendet wurden eine Vollformatkamera (Sony Alpha 7III) und ein Teleobjektiv mit 600mm Brennweite. Das Bild ist nicht zurechtgeschnitten oder vergrößert.
Im Vergleich dazu ist ein Vogel auf dieser Entfernung natürlich sehr winzig.
Kamera
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Kameras die sich für die Wildlifefotografie eignen. Ein Smartphone zählt nicht dazu – auch wenn es bei mir mal Momente gab, wo das gereicht hätte.
Bridgekamera
Diese Kameras sind sehr kompakt, können aber durchaus in der Wildlifefotografie gut angewendet werden. Es gibt sie mit großen Zoombereichen die teils bis oder über 600mm Brennweite gehen. Beispiele sind die Sony RX10 IV oder aktuellere Nikon Coolpix. Die Kompaktheit ist ein Vorteil: sie sind schnell einsatzbereit und relativ klein. Nachteilig ist die eingeschränkte Sensorgröße, was unter anderem Rauschen begünstigt und eine nicht so große Offenblende.
Spiegelreflexkamera (DSLR)
Wie der Name sagt, haben diese einen Spiegel der das Licht entweder zum Einblick lenkt oder auf den Sensor. Zwischen den wechselbaren Objektiven und dem Sensor der Kamera befindet sich noch ein Verschlussvorhang, der die Belichtungszeit reguliert. Die Spiegelreflexkamera kann ein günstiger Einstieg sein, eine einfache Canon EOS 2000D zum Beispiel kann man schon ab 360 € (neu aber ohne Objektive) bekommen. Damit sind sie eine günstige Alternative in den Einstieg in die Fotografie mit Wechselobjektiven. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sich ein zusätzliches mechanisches Element im Lichtweg befindet und verschleißen kann. Auch sind sie durch das auffällige „Klackgeräusch“ lauter als Systemkamera, bei denen nur der Verschluss geöffnet wird.
Spiegellose Systemkamera (DSLM)
Die spiegellosen Systemkameras sind deutlich kompakter als Spiegelreflexkameras weil eben dieses doch recht große Element zwischen Objektiv und Sensor fehlt. Theoretisch könnte man DSLMs noch kleiner bauen, dieses ginge jedoch zu Lasten der Haptik. Spiegellose Systemkameras haben einen elektronischen Sucher, also eine Art Minidisplay im Einblick. Der meiner Meinung nach größte Vorteil dieser Kameras ist die Lautstärke. Mit elektronischem Verschluss (den ich fast ausschließlich bei Wildlife nutze) geben sie kein Geräusch von sich und sind deutlich verschleißfreier. Der elektronische Verschluss hat zwar auch Nachteile (sogenanntes Banding unter Kunstlicht und Shutter-Rolling), auf diese gehe ich vielleicht noch gesondert ein.
Stativ
Ein stabiles Stativ ist sehr wichtig. Es sollte leicht und handlich sein, die Kamera mit allem Zubehör aber gut und wackelfrei tragen können. Je nach Begebenheiten kann man ein Einbeinstativ oder ein Tripod verwenden. Das Einbeinstativ verwende ich gerne bei der Vogelfotografie oder wenn ich viel von Spot zu Spot laufe. Dreibeinstative nutze ich eher am Ansitz auf Rehwild, wenn nicht einen so großen Bewegungsspielraum benötige. Besonders gut (leider aber auch teurer) sind Carbonstative, die sich durch ihr geringes Gewicht auszeichnen.
Rucksack
Ein stabiler – dabei aber leichter – Rucksack ist unabdingbar. Selbst wenn man Kamera und Stativ schultert hat man noch anderes Zubehör zu schleppen. Ich selbst nutze den Lowepro ProTactic BP 350 AWII. Ein sehr vielseitiger Rucksack, der sich angenehm tragen lässt und ausreichend Platz für Kamera, Objektive und Zubehör bietet. Leider gibt es diesen nur in schwarz und nicht in Tarnfarben. Für Kurztrips in den benachbarten Wald nutze ich einen einfachen grünen Jagdrucksack, der lediglich Sitzgelegenheit, Tarnung und Verpflegung beherbergt.
Das Bild zeigt meinen fertig gepackten Rucksack mit Sony Alpha 6700 + SEL200600G, Sony Alpha 7III + Tamron 28-75 Di III, Tarnanzug, Ministativ. Außen befestigt werden noch Stativ, Verpflegung und Erste-Hilfe-Set
Tarnung
Je unauffälliger man ist, desto mehr Erfolg hat man in der Wildlifefotografie. Gedeckte Farben sind das Mindeste. Auch wenn die meisten Tiere Farben nur schlecht bis gar nicht wahrnehmen können, ist es besser, wenn man mit der Umgebung verschmilzt und möglichst wenige Konturen präsentiert. Ein Tarnanzug muss es nicht gleich sein, aber grüne Hose und Jacke sowie etwas Gesichtsschutz sind schon gewinnbringend. Ebenso nicht unwichtig: die Kleidung sollte nicht rascheln.
Das Schuhwerk sollte stabil und ebenfalls leise sein. Ich empfehle Stiefel (auch im Sommer), die über den Knöchel geschnürt werden können und eine mittelharte Sohle haben.
Tatsächlich kann es sogar negativ aufgenommen werden, wenn man im Tarnanzug im Wald hockt. Bevor mir Nachstellen von Tieren unterstellt werden könnte, frage ich lieber vorher den Pächter, Jäger oder die Behörde um Erlaubnis. Allgemein ist es schlauer sich mit diesen in Verbindung zu setzen und in Kontakt zu bleiben um Vorhaben abzusprechen und sich auszutauschen.
Selbst nutze ich je nach Situation und Standort einfach nur grüne Kleidung, einen Tarnüberwurf oder einen kompletten Tarnanzug. Außerdem hat mein Teleobjektiv einen Neoprenschutz in Tarnmuster, da die weiße Farbe eher kontraproduktiv ist.
Sitzgelegenheit
Gerne schleppe ich einen kleinen Angelhocker mit mir rum, damit ich mich in der kalten, nassen Jahreszeit nicht direkt auf den Boden setzen muss. Ist aber auch wieder zusätzliches Gewicht, das ich zu tragen habe. Aber immer dabei: ein Stück einfache Isomatte als Sitzfläche (ca. 35 x 35cm) um den Körper vor Bodenkälte zu schützen und um es zumindest ein wenig bequemer zu haben.
Auch schaue ich mir an Orten, an denen ich mich regelmäßig aufhalte, natürliche Sitzgelegenheiten wie Baumstümpfe, Steine oder umgestürzte Bäume an. Definitiv nicht gestattet ist das unbefugte Betreten von Jagdhochsitzen oder ähnlichen Bauten.
Erste-Hilfe-Set
Seit ich aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung Blutverdünner zu mir nehmen muss, habe ich immer ein Erste-Hilfe-Set in direkter Nähe. Aber auch so empfehle ich immer, etwas dabei zu haben. Es gibt sehr kompakte Sets mit den wichtigsten Sachen für wenige Euro.
Fernglas
Ein Fernglas kann hilfreich sein, wenn man neue Gebiete erkundet und vielleicht nicht so viel Brennweite an der Kamera hat, um diese zum „Spähen“ zu nutzen. Ich selbst habe nur ein einfaches Fernglas, was aber selten mit auf Fototour kommt. Es ist einfach etwas zu sperrig. Ich suche gerade nach einer kleinen, für mich angenehmen, Alternative. Hauptsächliche benutze ich aber die Kamera als Fernglasersatz.
Verpflegung
Das zu verallgemeinern ist immer sehr schwer. Normalerweise plane ich meine Touren so, dass ich nur wenig Verpflegung brauche. Dann sind nur eine Flasche Wasser oder was isotonisches und ein kleiner Snack für den kleinen Hunger im Rucksack. Es gibt aber auch Touren – besonders im Sommer – wo ich mehrere Tage und auch mal eine Nacht draußen verbringe. Dann habe ich natürlich etwas mehr dabei, passe aber auf das Gewicht auf.
Kleinkram
Ich habe zum Beispiel immer ein Multitool und ein kleines Taschenmesser dabei, um notfalls kleinere Reparaturen vornehmen zu können. Sollte es mal später werden ist auch eine Taschenlampe griffbereit. Zudem habe ich immer etwas Schnur (Paracord) im Rucksack. Damit kann ich meinen Tarnüberwurf zu einer Tarnwand umfunktionieren und zwischen zwei Bäumen spannen. Ist aber eher selten in Gebrauch.
Was kostet das alles?
Das ist natürlich von der Kamera abhängig und schwer zu pauschalisieren. Wenn ich mal von meiner Mindestkonfiguration für Wildlife ausgehe mit den obenstehenden Sachen, komme ich auf etwa 3500 € Neupreis.
Fragen?
Der Beitrag lässt sicher Fragen offen, ist auch nur grob umrissen. Wenn Du Fragen hast, melde sende mir gerne eine Mail an stephan@natuerlich-fotografieren.de. Ich versuche sie zeitnah zu beantworten.